Rosi Rohr
die vergessene Stimme der 70er Jahre

 

Jeder Mensch meiner Generation, der davor und auch der danach, hat ihre Stimme irgendwann einmal im Ohr gehabt, ohne sie dabei bewusst wahr zu nehmen. Rosi Rohr gehörte zu den 70er Jahren wie Schlaghosen, Käseigel und der Audi 80. Der wirklich große Bekanntheitsgrad ist ihr trotz ansehnlicher Erfolge allerdings stets verwehrt geblieben. Vielleicht kann ich mit einem Nachruf, den ich hier mit vielen Internet-Schnipseln versucht habe nachzuzeichnen, ein wenig dazu beitragen, diese talentierte Künstlerin nicht im Strudel der Zeit untergehen zu lassen.

Geboren wurde sie als Rosemarie Hofman am 13.06.1926 in Berlin. Als 20jährige bewarb sie sich per Zeitungsinserat als Sängerin und trat zunächst dem Eriwers-, drei Jahre später dem Sunshine-Quartett bei. Ensembles wie diese wurden stets als Background-Chor für Plattenaufnahmen benötigt und hatten teilweise gar keine feste personelle Struktur. Währenddessen begann die aufstrebende Künstlerin ein professionelles Musikstudium, wo sie ihr Talent als Sopranistin erfolgreich entwickeln konnte. Ihren Lebensweg in den 50er und 60er Jahren kann man nur schwer nachvollziehen, aber Frau Hofman scheint recht viel herum gekommen zu sein. Die Vita reicht vom Hamburger Werner Cyprys Chor über Operettenaufnahmen mit dem Rundfunkorchester München unter der Leitung von Werner Schmidt-Boelcke bis zum Kölner Botho-Lucas Chor, einem der damals bekanntesten Ensembles. Hofmans Einsätze jener Zeit waren so zahlreich wie die Formationen, denen sie stets temporär angehörte: Ohayos, Moonlights, Colombinos, dem Günter Kallmann-Chor. Zwischendurch wurde sie eine verheiratete Dassiu-Hofman; anscheinend hielt die Ehe jedoch nicht besonders lange.

1964 entschloss sie sich, dem Herumgereiche als namenloser Studio-Profi ein Ende zu setzen und gründete ihr eigenes Gesangs-Quintett: die Rosy-Singers. Mit von der Partie waren Angelika "Gila" Metzger aus Israel, der US-Amerikaner John Wiseman, die ungarische Susanne "Susi" Adorja sowie dem Berliner Rolf Jage. Susi und Rolf heirateten später. Dies tat auch Rosemarie Hofman mit dem Manager ihrer Formation, dem 8 Jahre jüngeren Dr. jur. Erich Rohr. Fortan nannte sie sich selbst Rosi (zeitweise auch Rosy) Rohr. Ihre Auswahl an Kollegen, die sie während ihrer vielen Engagements schätzen gelernt hatte, muss wohl exzellent gewesen sein, denn innerhalb kürzester Zeit wurden sie von Rundfunksendern und Studios der Schallplattenfirmen schnell als "erste Wahl" für die vielfältigsten Produktionen angenommen. Die Vita ihrer Einsätze sollte später einmal endlos erscheinen. Von Peter Alexander bis Reinhard Mey hatten die Rosy-Singers über viele Jahre bei so ziemlich jedem Star der deutschsprachigen Unterhaltung mit im Studio gestanden. Die Angebote trudelten nur so in die Hände von Erich Rohr, der die Fünf dann auch im Fernsehen unterbringen konnte. Bereits ein Jahr nach ihrem ersten Auftritt in Ein Platz an der Sonne (1966) bekamen sie kurzzeitig ihre eigene ZDF-Fernsehshow Melodien mit den Rosy-Singers. Es folgten Engagements in Paul's Party (mit Paul Kuhn), Vergißmeinnicht, der Starparade und Zum Blauen Bock. Auch beim Eurovision Song Contest waren sie Dauerabonnenten:

1971 - Diese Welt (Katja Epstein, für Deutschland, 3. Platz)
1972 - Après Toi (Vicky Leandros, für Luxemburg, 1. Platz)
1972 - Nur die Liebe lässt uns leben (Mary Roos, für Deutschland, 3. Platz) (dirigiert von Paul Kuhn)
1973 - Junger Tag (Gitte Hænning, für Deutschland, 8. Platz)
1976 - Chansons Pour Ceux Qui S'aiment (Jürgen Marcus, für Luxemburg, 14. Platz)

  
Schlagergeschichte 1972: Kurz vor ihrem Auftritt machte Werner Böhm (später Gottlieb Wendehals) mit Lebenspartnerin Mary Roos Schluss.
Gegenüber Vicky Leandros musste sie sich gleichzeitig nur mit dem dritten Platz begnügen.

Auch "solo" brachte das Quintett Aufnahmen heraus, darunter die alte Rudi Schuricke Nummer Mit Musik geht alles besser (1968), ein Paradebeispiel für den später typisch-süßlichen 70er Jahre Gesang und einer dieser anonymen Songs, die einem zu jener Zeit ständig begleiteten, wenn nicht gar verfolgten.

1971 leisteten die Rosy-Singers zwei Auftritte in Hans Rosenthals Quizshow Dalli-Dalli ab. Man braucht nicht viel Interpretationsgabe, um hier eins und eins zusammen zu zählen. Die inzwischen informativen Internet-Datenbanken über Musik- und Hörspielplatten lassen keinen Zweifel daran, dass die Rosy-Singers perfekt für Riethmüllers diversen Projekte der Trickfilm-Verdeutschung gewesen waren und schon vor diesen Sendungen in Kontakt mit ihm standen. So baute er in Verbindung mit dem bereits in Das Dschungelbuch eingesetzten Peter Cornehlsen Chor, bestehend aus Peter Cornehlsen, Alfred Lohmann, Claudia Gorden-Nowy, Ina Bellé, und Reni Kamberg, eine Gesangs-Armada auf, das den anspruchsvollen Liedern in jeder Lage gewachsen war. Den Damen fiel 1970 das Trio der drei Wäscherinnen in Asterix und Kleopatra zu, während der textlose Gesang der Pharaonin selbst (Micheline Dax) im Original verblieb ... meiner Meinung nach hätte Frau Rohr auch dies exzellent meistern können. 1971 bekam sie die Rolle der Duchess in Aristocats zugesprochen. Zu fünft sangen 1972 die Rosy-Singers die Titelmelodie zur TV-Serie Schweinchen Dick; 1973 folgten die Gesänge in Bambi. Rosi Rohr durfte noch einmal solo ihr Können unter Beweis stellen - als Spinne Charlotte in dem Hanna-Barbera Film Zuckermanns Farm (aka. Wilbur im Glück). Dies ist durch Angaben auf Plattenhüllen belegt oder durch Hörvergleiche klar bewiesen. Ich denke, dass das Doppel-Quintett auch in späteren Animations-Bearbeitungen zu hören ist, so z.B. im Weihnachtschor aus Susi & Strolch 1975. Frau Rohr erkenne ich dann persönlich noch im Gesang von Dumbos Mutter (1976). Offen bleibt am Ende die Frage, ob die Rosy Singers eventuell auch in der Kult-gewordenen Titelmelodie zu Herr Rossi sucht das Glück zu hören waren. Die Quellen geben hier den Chor Der Deutschen Synchron KG an, was wenig Aussagekraft besitzt ...  

Ein weiteres Standbein bauten sich die Rosy-Singers innerhalb der Werbeindustrie auf, an das sie sich bis weit in die 80er Jahre klammern konnten. Und spätestens wenn man sich die Markenliste anschaut, für die das Quintett ihre Stimmen hergab, hat man all diese Melodien im Ohr, die sich ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Nation eingebrannt hatten: Nichts geht über Bärenmarke zum Kaffee, Bader kommt ganz groß in Mode, Komm doch mit auf den Underberg, Rama macht das Frühstück gut, Meister Propper putzt so sauber dass man sich drin spiegeln kann und Haribo macht Kinder froh. Ja, auch hier hier steckten irgendwo die Rosy Singers mit dazwischen und mit Sicherheit waren sie auch in diesem Metier dominierend.

Der Tod von Erich Rohr 1977 hatte das Quintett wohl weniger aus der Bahn geworfen als die allmähliche Veränderung der deutschen Musiklandschaft. Ihren letzten TV-Auftritt, gemeinsam mit Ray Conniff, hatten sie 1982. Plattenaufnahmen wurden noch bis Ende der 80er Jahre gemacht, danach verliert sich ihre Spur. Ansonsten sagte man Rosi noch eine Liaison mit dem Produzenten Martin Fouqué nach, der später ihre Todesanzeige in die Zeitung setzte. Rosi Rohr starb am 03.06.2019 in Berlin Streglitz.


Bester Gesundheit dagegen erfreut sich bis heute (2022) Gesangspartner John Wiseman. In Rosis Todesjahr 2019 trat er in der zweiten Staffel der Sat1-Sendung The Voice Senior auf, um zu zeigen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört. Leider schaffte er es "nur" bis in die zweite Runde. 2021 war der gute Mann zu einem Telefongespräch bereit, konnte sich aber an der Beteiligung in Disney-Projekten nicht mehr zurück erinnern. Immerhin gab er bekannt, dass auch der Rest der Rosy-Singers wohlauf gewesen ist. Da wünscht man natürlich gute Gesundheit und weiterhin ein musikalisch erfülltes Leben.

 

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