My Mammy
der Song für den Disney sich schämt

hier könnte IHR Plug-In stehen
My Mammy (1921)
Musik: Walter Donaldson
Text: Sam Lewis & Joe Young

Wer die DVD-Reihe Walt Disney Treasures kennt, stolpert zwangsläufig über einige der Erklärungen Leonard Maltins im Bezug auf Darstellungen in den Disney-Cartoons, die aus heutiger Sicht nicht unbedingt akzeptabel sind. Öfter spricht der beliebte Filmkritiker dabei auch einen Song an, der in Disneys Filmen nicht einmal gespielt wird. Stattdessen erklingt nur hin und wieder das Wort Mammy, so in den Cartoons Mickey steps out, Midnight in a Toy Shop, Whoopee Party, Haunted House, Santa's Workshop, Moose Hunters, Mellerdrammer, Plutos Dream House, Birds of a Feather, Egyptian Melodies und Three Orphan Kitten. Was ist das eigentlich für ein Lied und warum ist es so kontrovers gegenüber der heutigen Zeit ???

 

 

 

My Mammy stammt aus dem Film The Jazz Singer (Warner Brothers - 1927), dem ersten kommerziellen Tonfilm in der Geschichte Hollywoods. Zur Tonveredlung diente das von der Vitaphone weiterentwickelte Nadeltonverfahren, das schon ein Jahr zuvor in Warners Don Juan zum Einsatz kam. Der Ton kam von einer Schallplatte, die parallel zum Projektor abgespielt wurde. Mit The Jazz Singer wollte man nun auch einige Musikeinlagen präsentieren. Dazu wurde der Broadwaysänger Al Jolson verpflichtet. Dieser sprach allerdings auch die ersten -improvisierten- Dialoge. In einer Bar spricht er zum Publikum, später hat er noch einen Dialog mit seiner Mutter. Insgesamt sagt Jolson in der Originalfassung ganze 354 Worte. Der Streifen wurde über Nacht ein Bombenerfolg, allein aufgrund der Tatsache, dass hier zum ersten Mal richtige Worte und Gesang aus den Lippen der Darsteller zu hören waren. Al Jolson spielt hier den Sohn eines Rabbis, der sich zugunsten einer Sangeskarriere gegen den Willen seines Vaters auflehnt.
Mit dem Tonfilm erfolgte ein grundlegender Wandel innerhalb der Kinoschmiede Hollywoods. Der bislang stark vertretene "jüdische Film" mit starken sozialkritischen Aspekten wurde durch die Möglichkeiten des Tons von Themen mit reichlich Glamour und dem leichten Leben verdrängt. Die große Depression des Landes trug dann, ähnlich wie bei uns der Heimatfilm nach Ende des Zweiten Weltkrieges, einen erheblichen Teil zu dieser Wende bei. Walt Disney selbst brachte bereits ein Jahr nach The Jazz Singer seinen ersten Ton-Cartoon Steamboat Willie auf den Markt.

Natürlich wollte sich Hollywood stets von seiner besten Seite zeigen, was durch den Tonfilm nun neue Dimensionen annahm. Die Schauspieler mussten neben ihren darstellerischen Fähigkeiten von jetzt an auch eine akzentfreie Sprache an den Tag legen. Für viele Künstler bedeutete dies plötzlich das Aus ihrer Karriere. Ganz besonders hart traf es neben den jüdischen Darstellern die schwarzen Schichten der Schauspielkunst, die sich aufgrund der damaligen Rassendifferenzen des Landes eh nur einen kleinen Bereich innerhalb der Filmbranche zunutze machen konnten. Wie schon zuvor auf den Theater- und Showbühnenbrettern wurden diese nun auch im Film von weißen Darstellern verdrängt, die sich einfach ihr Gesicht schwarz einfärbten .. so auch Al Jolson 1927 :

 

Diese stereotype Darstellung wurde durch eine Mischung aus Unwissenheit und einer Art "das war schon immer so" von der breiten Masse akzeptiert. Der jüdische Film allerdings, der für einige Zeit nur ein gewisses Independent-Dasein fristete, erlebte durch den immensen Strom europäischer Immigranten während des Zweiten Weltkrieges einen neuen Boom. Viele jüdische Talente vor und hinter der Kamera förderten ein erneutes Umdenken und die Rückkehr zu inhaltlich reicheren Filmen. Der größte jüdische Protagonist Charlie Chaplin manifestierte dann 1939 mit Der große Diktator diesen Trend für lange Zeit. Die Schwarzen dagegen sollten erst Jahre später wieder in Hollywood Fuß fassen .... so wie sie es verdienten.

 

"They were common place to that time"

Die "Mammy" selbst war das Synonym einer dunkelhäutigen Haushaltshilfe, die "gute Fee" des Anwesens einer besser gestellten Familie. Nicht selten war diese Rolle im amerikanischen Film eine Bereicherung der Handlung, wirkte doch die stets kernige Frau wie ein bodenständiger Kontrast zur versnobten Gesellschaft der Kolonialzeit. Aber sie spiegelte unterschwellig auch die Sklaverei wieder, welche immer ein böser Schandfleck in der Geschichte der U.S.A. bleiben wird. Nicht ohne Grund hat z.B. der Disney Konzern bis heute Bedenken, den Film Onkel Remus Wunderland (Song of the South - 1946) in seinem Land dem regulären Heimvideomarkt zuzuführen. In Cartoons, wo die Mammy stets nur von Rumpf abwärts gezeigt wurde, schwebt stets die Aussage mit, dass die Arbeitskraft schuften muss, während sich die feinen Herren und Damen außer Haus vergnügen. Nichtsdestotrotz war Mammy ein gelungener Sidekick, der die Lacher auf seiner Seite hatte. Als Mammy Two Shoes betitelt, trat sie in den MGM Cartoons von Tom und Jerry rund zwanzig mal auf. Und auch Pluto, Figaro und andere Disney-Figuren hatten unter der Hand des anonymen, ordnungsliebenden, aber immer liebenswerten Putzteufels zu leiden.

 

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