Joe Grant & Ward Kimball

Ka|ri|ka|tur, die; (ital.) Zerr-,Spottbild, kritische od. satirische Darstellung

Was die Interpretation in der Literatur und Musik ist, das ist die Karikatur in der Comic-Welt. Es ist wahrlich eine Kunst, mit ein paar wenigen Strichen die Charakterzüge eines Menschen wiederzugeben, äußere Merkmale zu überspitzen und ihn dabei für Dritte immer noch erkennbar zu gestalten. Da stellt sich die Frage, ob einem guten Zeichner mit diesen Fähigkeiten überhaupt künstlerische Grenzen gesetzt sind.


Joe Grant
(1908 - 2005)

Das muss sich Walt Disney Ende 1932 auch gefragt haben, als er eines Tages in der Los Angeles Record die Karikaturen des jungen Joe Grants sah. Er lud ihn zu sich ins Studio ein und machte ihm "ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte"! Mit dem Kurzfilm Parade of the Award Nominees gab Grant im selben Jahr seinen Einstand, und die Reaktionen der betreffenden Oscarverleihung muss wohl äußerst positiv ausgefallen gewesen sein, denn der neue Star der Disney Studios durfte bleiben.

In Mickey's Gala Premiere konnte er ein halbes Jahr später sein Talent dann richtig unter Beweis stellen. An die 50 V.I.P.s der damaligen Hollywoodszene wurden hier so vortrefflich dargestellt, dass sie teilweise besser als ihr Original ausschau(t)en. Über die Jahre hinweg kletterte Joe Grant vom Animator zum Chef des Charakterdesigns (Schneewittchen, Pinocchio) und Storywriter (Dumbo, Alice im Wunderland) bis zum Produktionsleiter (Make Mine Music) die Karriereleiter hinauf. 1949 entließ ihn Disney in die Selbstständigkeit. Anfang der Neunziger kehrte er zurück und war somit dienstältestes Disney-Mitglied überhaupt.

 


Ward Kimball

Eine ganz andere Form der Karikatur ging auf das Konto von Disneys Starzeichner Ward Kimball, der es sich nicht nehmen ließ, sich und seinen Zeichenstab selbst auf die Schippe zu nehmen. So trat er z.B. mit seinem Kollegen Fred Moore 1941 sowohl im Mickey Mouse Cartoon The Nifty Nineties als auch in der Zeichentricksequenz des Films The Reluctant Dragon auf.


Ward (l.) und Fred
in The Nifty Nineties ..


Fred Moore


.. und in The Reluctant Dragon !

 

In Make Mine Music (1946) tritt gar das ganze Kollegium der damaligen Zeit auf. In der Sequenz Casey at the bat kann man sie als durchgeknallte Big Band bewundern.


Fred Moore an der Tuba und Kimball himself an der Posaune. Wer rät, wer die anderen sind ? :)

Und last but not least wurde selbst Chef des Stabes Walt Disney nicht von der frechen Feder Kimballs verschont. In Ferdinand der Stier (1938) durfte Disney den glücklosen Matador mimen. Die einmarschierenden Toreros in diesem Cartoon waren natürlich auch wieder die getuschte Zeichentrick-Garde. In der Reihenfolge ihres Eintretens in die Arena : Bill Tytla, Fred Moore, Art Babbit, Hamilton Luske, Jack Campbell, Walt Disney. Ward Kimball trägt am Ende der Schlange des Meisters Schwert auf einem Kissen (alles klar ?)

Die Idee, Disney als Stierkämpfer auftreten zu lassen, geht zurück auf den Trickfilm Mickey's Rival von 1936. Dort war Walt schon einmal als vermeindlicher Matador zu sehen ... in der Rolle des Mortimer Mouse. Und um die Insider-Story komplett zu machen : Mortimer war die erste Namenswahl von Walt Disney für seine berühmteste Figur, doch seine Frau überredete ihn zu "Mickey". Pate stand angeblich Schauspieler Mickey Rooney. Wahrscheinlich sollte Mortimer in Mickey's Rival all die Gehässigkeiten verkörpern, die Mickey Mouse im Laufe seines Starruhmes immer mehr zurück schrauben musste. Und da Mickey ja ohne Zweifel Disneys Alter Ego ist, muss Mortimer logischerweise Disneys schwarze Seele sein. :)


Disney/Mortimer in
Mickey's Rival


Disney in Ferdinand der Stier

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